Im Zuge der Corona-Pandemie sitzen plötzlich hunderttausende im Homeoffice und müssen ihren geschäftlichen Alltag von Zuhause aus bestreiten. Neben autonomer Arbeit braucht es zur Koordination regelmässig Meetings mit Kollegen, Lieferanten und Kunden. Damit dies nicht zum Albtraum wird, habe ich bereits einen Artikel mit fünf allgemeinen Tipps veröffentlicht. In diesem Artikel werde ich spezifisch auf die Audio- & Videovoraussetzungen eingehen, und dieser Teil liegt mir als professioneller Sprecher ganz besonders am Herzen.
Audio- & Videovoraussetzungen
Regelmässig erlebe ich Online-Konferenzen, in denen sich Teilnehmer von der schlechtesten Audio- oder Video-Seite zeigen. Dafür gibt es wohl zwei Gründe: einerseits hören die Leute nicht selber, was die anderen Teilnehmer von ihrem Mikrofon mitbekommen und andrerseits überschätzen sie die Technik, also Hardware und Software. Darum hier meine ernstgemeinte Wegweisung.
Audio – Mikrofon und Tonwiedergabe
Damit man das Gegenüber bei einer Konversation versteht, ist der Ton matchentscheidend. Selbst bei einem Gespräch, bei dem man räumlich nahe beieinander steht, sind (laute) Umgebungsgeräusche störend. Bei einem Dialog über Telefon oder Online-Tools werden schlechte Geräuschkulissen massiv verstärkt. Dies hängt von dreierlei Aspekten ab: dem Mikrofon, welches den Ton aufnimmt, der Übermittlungstechnologie sowie dem Schallwandler, der den Ton auf der anderen Seite hörbar macht. Erster und letzterer können wir beeinflussen und darum hier meine eindringliche Aufforderung:
Setzen Sie wenn immer möglich einen Kopfhörer mit Mikrofon – also ein Headset ein.
Klar, aktuelle Notebooks haben allesamt eingebaute Mikrofone und Lautsprecher, nur bringen diese grosse Nachteile mit sich: Die Mikrofone von Laptops sind meist darauf ausgelegt, den Ton von möglichst jeder Richtung aufzunehmen, was leider auch die Neben- und Hintergrundgeräusche massiv verstärkt. So kann es sein, dass das gegenüber sogar den aufheulenden Notebook-Lüfter, sicher aber die Tastenanschläge hört.
Das Mikrofon eines Headsets ist viel näher an der Tonquelle (unserem Mund) und nimmt darum andere Geräusche auch weniger stark auf – in jedem Fall ein Gewinn, sogar beim Einsatz von Billig-Headsets! Beachten Sie dabei aber, dass auch Headsets ihre Tücken haben. So sind zum Beispiel bei Smartphone-Headsets die Mikrofone immer etwas unterhalb des Kinns direkt im Kabel integriert. Wer bei einer Telefonkonferenz also unterwegs ist und dieses Kabel sich darum an der Kleidung immer hin und her bewegt, erzeugt beim Gegenüber ein richtiges akustisches Gewitter.
Auch Mikrofone/Headsets die mittels Bügel in der Nähe des Mundes positioniert werden, können zu nah am Mund sein, was sich mit verzerrtem Ton oder lauten Plopp-Geräuschen äussert. Wenn das Mikrofon seitlich neben dem Mund positioniert wird, kann hier Abhilfe geschaffen werden. Auch mit einem Windschutz (Schaumstoff-Überzug) können diese Geräusche reduziert werden. Der Nachteil beim Einsatz des Laptops als Lautsprecher ist, dass es für die anderen oft ein Echo gibt, da die Lautsprecher und die eingebauten Mikrofone gezwungenermassen nahe beieinander liegen. Praktisch jede Software hat aus diesem Grund zwar ein Echo-Unterdrückungs-Tools integriert, diese funktionieren aber nie zuverlässig.
Exkurs in die Audiotechnik
Auch bei der gewählten Übertragungstechnik gibt es massive Unterschiede, was die Verständlichkeit von gesprochenem Wort angeht. Die gute alte Telefonverbindung ist zwar schon fast 150 Jahre alt, dominiert aber immer noch die Kommunikation. Natürlich hat sich in der dahinter liegenden Technik einiges getan, aber der Frequenzgang ist (meistens) noch derselbe wie vor 100 Jahren und bildet maximal 300 bis 3'400 Herz ab (häufig jedoch noch weniger: 500 bis 1'000 Herz). Dieser Frequenzbereich deckt zwar den wesentlichen Teil der menschlichen Stimme ab, klingt aber nie natürlich. Um die Stimme eines Menschen zu verstehen, sind die Höhen zwischen 4'000 und 10'000 Herz entscheidend. Die Telekomunikationsbranche hat darum vor ein paar Jahren eine Technologie namens "HD-Telefonie" lanciert, welche einen wesentlich breiteren Frequenzgang (50 bis 8000 Herz) mitbringt und dadurch viel natürlicher klingt und man sich dadurch besser versteht. Schade nur, dass dies bei vielen Anbietern noch nicht oder nur teilweise angekommen ist. Apple bietet in seinen Geräten mit FaceTime-Audio ebenfalls ein hochwertiges Audioformat an. Ähnlich, wenn auch nicht immer adäquat sind die vielen anderen Möglichkeiten von WhatsApp, Skype, webEX, Zoom usw. In jedem Fall aber sind diese besser als die konventionelle Telefonleitung, eine stabile Internetverbindung vorausgesetzt!
Wer aber eine wirklich hochwertige Audioverbindung möchte, bspw. für ein Interview bei einer Radiostation, sollte sich andere Lösungen anschauen. Es gibt verschiedene Lösungen auf dem Markt, die sich durch die Tonübertragung mit dem OPUS-Codec auszeichnen. Dieser wird zwar auch immer häufiger in Apps wie z.B. WhatsApp eingesetzt, jedoch nie in der vollen Qualität. Als Sprecher werde ich immer wieder zum erweiterten Aufnahmeraum des Tonstudios, das mich beauftragt. Die Produktionsfirmen stellen über SourceConnectNow oder SessionLinkPro eine Live-Verbindung zu mir in die Tonkabine her und haben so den hochwertigen Ton direkt von meinem Grossmembran-Mikrofon. Schade, dass dies von Radio- & Fernsehstationen selten bis nie so verwendet wird. Leider werden in der aktuellen COVID-19-Situation die Interviews regelmässig über Skype gemacht und damit massive Qualitätseinschränkungen oder sogar Dropouts in Kauf genommen. Aus meiner Sicht unverständlich, wenn es ohne grossen Aufwand um ein vielfaches besser gemacht werden könnte.
Schalten Sie die Webcam aus!
Praktisch alle Softwarelösungen unterstützen heute Videotelefonie und so kann man anstelle einer "langweiligen" Telefonkonferenz natürlich auch eine Videokonferenz führen. Aber ist das auch immer sinnvoll? Im geschäftlichen Kontext hinterfrage ich das. Bei vielen Unternehmen wird die Webcam bei einer Konferenz standardmässig aktiviert, aber wieso eigentlich? Meist sieht man die Teilnehmer dann aus einer unvorteilhaften Perspektive oder man erkennt sie kaum, weil der Bildausschnitt alles andere zeigt. Auch häufig gesehen: Der aufgeklappte Laptop steht auf der Seite und filmt die Protagonisten, wie sie auf den Hauptbildschirm schauen, ähnlich wie bei einem Verbrecherfoto. Fazit: Die Webcam filmt einem meistens so, wie man nie und nimmer auf einem Foto abgebildet sein möchte.
Jetzt: Webcam einschalten!
Dennoch gibt es aus meiner Sicht einige Situationen, in denen das Einschalten der Videokamera im geschäftlichen Kontext durchaus Sinn macht: Immer dann, wenn es persönlich oder emotional sein soll! Reaktionen auf gesagtes werden nämlich vorwiegend über die Mimik geäussert und erst wenn eine emotionale Schwelle überschritten wird, kommen Laute dazu. Wenn Sie also ein Mitarbeitergespräch online führen oder ein emotionales Thema besprechen wollen, unterstützt das Videobild die Empathie und schafft einen persönlicheren Rahmen. Auch wenn eine Person eine virtuelle Präsentation vor anderen hält, kann das Einschalten der Kamera angezeigt sein, denn auch hier lassen sich Inhalte mit Körpersprache und Mimik besser transportieren. In Zeiten der Pandemie finden ausserdem immer mehr virtuelle Afterwork-Meetings statt. Auch da will man natürlich sehen, wo sich die anderen Personen befinden und welchen Drink sie gerade in der Hand haben. Schalten Sie ihre Kamera also gezielt ein und auch wieder aus!
Was zeigen Sie von sich?
In unserem Selfie-Zeitalter sind wir es uns gewohnt, Bilder von uns zu sehen. In den schönsten und unmöglichsten Posen. So zeigen Sie sich nicht nur von der Besten Seite, sondern so können Sie ihre Kollegen auch gut erkennen:
Achten Sie darauf, dass die hellste Lichtquelle hinter der Webcam/Display ist und nicht hinter Ihnen! Ansonsten ähnelt das Bild einem Schattenspiel. Webcams sind in den meisten Fällen billige Kameramodule und haben grosse Probleme mit unterschiedlichen Helligkeiten innerhalb des Bildes. Sofern Sie die Ausleuchtung beeinflussen können, versuchen Sie eine möglichst homogene Ausleuchtung (mindestens ihres Gesichtes) zu erreichen.
Hintergrund: Was sollen die Teilnehmer der Web-Konferenz von ihrem Homeoffice sehen? Am besten schalten Sie die Kamera vor der Konferenz einmal ein, dann sehen Sie, was im Bild zu sehen ist. Türme von Wäsche oder unaufgeräumte Kinderspielsachen sind zwar nichts Schlimmes, würde ich im Videohintergrund aber vermeiden, weil es ablenkt. Die einfachste und effektivste Methode ist eine weisse Wand im Hintergrund zu haben, auf der ein beruhigendes Bild zu sehen ist. Ihren Kollegen die Aussicht zu zeigen, kann zwar schön sein, kommt aber mit vorherigem Punkt in Konflikt. Wer einen spannenderen Hintergrund will, kann diesen natürlich auch gezielt zusammenstellen.
Die Webcam, mit der die anderen Teilnehmer der Konferenz Sie sehen können, ist meist oberhalb der (Notebook)-Displays mittig integriert. Wenn Ihr Laptop auf dem Tisch steht, werden Sie von unten gefilmt. Diese Perspektive ist unvorteilhaft und wird im Film dazu verwendet, eine Person als überheblich darzustellen. Platzieren Sie darum die Kamera wenn möglich auf der Höhe ihres Kopfes, gerade vor Ihnen. Dies bedingt natürlich eine kleine Erhöhung für den Laptop sowie eine externe Maus und Tastatur.
Bildschirminhalte mit andern teilen
Anstatt dass jeder Teilnehmer lokal ein Dokument öffnet und man sich immer wieder gegenseitig fragt, an welcher Stelle der andere gerade ist, kann jemand auch seinen Bildschirm teilen, damit alle wie in einem physischen Sitzungszimmer dieselbe Sicht haben. Ein Grossteil der Meeting-Softwares bietet auch die Funktionalität nur ein Programm oder ein Fenster zu teilen. Dies ermöglicht einem, in anderen Applikationen Dinge nachzuschauen oder zu notieren, die vom Plenum nicht gesehen werden. Wer seinen gesamten Bildschirminhalt teilt, muss sich auch bewusst sein, dass von den Meeting-Teilnehmern ALLES gesehen wird. Wieso man im Jahr 2020 immer noch den ganzen Desktop mit Dateien voll kleckert, ist für mich unverständlich, denn besser findet man die Dateien nicht. Es gibt heute auf allen Plattformen andere Möglichkeiten, wie man Dateien gut organisiert und auch schnell findet, ohne den Desktop dafür zu missbrauchen. Achten Sie auch darauf, welchen Bildschirmhintergrund Sie den anderen Teilnehmern zeigen. Fotos von ausufernden Parties oder allzu private Beziehungsbilder sind genau so suboptimal wie hochkant aufgenommene Portraits. Wichtig ist, dass Sie sich darüber bewusst sind und vor dem Bildschirm teilen die Applikationen und Ansichten schliessen, die nicht für andere Augen bestimmt sind.
Das Ziel dieses Beitrags war es, Sie für die medialen Aspekte von Online-Meetings zu sensibilisieren und die digitalen Sitzungen für alle angenehmer und effizienter zu gestalten. Wenn Sie dazu Fragen oder Anmerkungen haben, setzen Sie sich mit mir in Verbindung.
Ich wünsche viel Erfolg!